Esteban de Obray, Nicolas Lobato und Juan Moreto: Emporenschnitzerei (1542-1548) der Kathedrale Saragossa
Die mächtige Hauptempore aus der römisch-katholischen Kathedrale „El Pilar“ von Saragossa (Region Aragonien) ist eine Gemeinschaftsarbeit dreier Nationalitäten: Esteban de Obray aus Navarra, ein gebürtiger Franzose, Nicolas Lobato aus Azuara nahe Saragossa und Juan Moreto aus Florenz. Die Bildschnitzerei ist zwischen 1542 und 1548 entstanden, man verwendete dazu kostbares Eichenholz aus Flandern. Ein zu dieser Zeit auch in Spanien beliebtes Motiv waren die Mariensymbole nach der Lauretanischen Litanei. Meist wurden sie gemalt, gezeichnet oder in Stein gemeißelt, Schnitzereien in Holz dagegen sind kaum bekannt, in ganz Europa hat sich nur ein älteres Beispiel in der Kathedrale von Notre-Dame in Amiens erhalten.
In „El Pilar“ hat man sich entschlossen, neben zahlreichen anderen Symbolen, auch die Porta Coeli, also die Himmelspforte, und die Civitas Dei, also die Stadt Gottes, darzustellen, die beide das Himmlische Jerusalem repräsentieren. Sowohl die Himmelspforte als auch das Zugangstor in die Gottesstadt unter dem Stadtturm scheinen offen zu stehen. Während die klassizistische Pforte symmetrisch ist, haben die Schnitzer die Stadt vielgestaltig wiedergegeben. Man beachte die Fenster des Hauptturmes: Links ist es ein Rundbogen, rechts ein Quadrat. Beide Arbeiten sind mit viel Liebe zum Detail ausgeführt, es sind manieristische Meisterwerke des spanischen Realismus im Zuge der Gegenreformation, die sich exzellent in dem kühlen Kirchenschiff über die Jahrhunderte erhalten haben.
Pedro Luis Echeverría Goñi, Gracia Fernández: Precisiones sobre el primer Renacimiento escultórico en Navarra, Esteban de Obray y Jorge de Flandes, in: Principe de Viana, 44, 1983, S. 29-60.
Eduardo Torra: Guía para visitar los santuarios marianos de Aragón, Madrid 1996.
Wifredo Rincón García: El Pilar de Zaragoza, Zaragoza 2000.
Die Arbeiten aus dem 16. Jahrhundert regten dreihundert Jahre später dazu an, das Thema Civitas Dei und Porta Coeli nochmals zu Darstellung zu bringen, und zwar in der gleichen Kirche, und wieder aus Holz. Das belegen die Türen der Kathedrale, die den zahlreichen Symbolen Mariens vorbehalten sind. Bereits das Hauptportal aus Eichenholz zeigt in einem Feld unten rechts die offene Himmelspforte auf einem Wolkenband. Die Pforte ist ein Komposit aus klassizistischen und barocken Stilmerkmalen; außergewöhnlich sind die aufgetürmten Wolken, die wie Wasserwogen das Bauwerk umfangen.
Im Inneren der Kirche findet sich noch eine weitere Schnitzarbeit zum Thema: Die Eingangstür zum Archivraum, aus dunkelrotem Kirschholz, schmückt eine Darstellung des Himmlischen Jerusalem. Unter einem Knauf mit unbeschriebenen Bändern sehen wir die Civitas Dei. Der Künstler entwirft eine quadratische Stadt mit zwölf Toren, aus deren Mitte der Zionsberg erwächst. Ungewöhnlich ist die Bekrönung mit dem Kreuz und gleichzeitig mit der Krone darunter. Beide Schnitzereien stammen von Antonio Palao y Marco (1824-1886) aus dem Jahre 1868, als die alten Türen der Kirche gegen neue ausgetauscht wurden.
Emma Liano Martinez: Catedrales de Espana, Madrid 1986.
José Antonio Duce, Isidoro Miguel Garcia: El Pilar, Zaragoza 2004.