
Savva Slovenin und Michey Slovenin: Höllenfahrtsikone aus Kostroma (1764)
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Claus Bernet
- Juli 11, 2021
Auf russischen Höllenfahrtsikonen wird überwiegend das Paradies mit Abrahams Schoß sowie dem Gerechten Schächer dargestellt. Dass auf einer solchen Ikonendarstellung auch einmal das Neue Jerusalem nach dem Apokalypsentext des Neuen Testaments bildlich thematisiert wurde, ist eine besondere seltene Ausnahme. Man findet die Gottesstadt auf dieser Höllenfahrtsikone ganz oben als im Himmel schwebende, goldene Stadt, deren Innenleben nicht so erkennbar ist, da fast alles in die gleiche goldgelbe Farbe getaucht ist: Engel stehen in den Toren, von denen neun zu sehen sind. Vorne mittig befindet sich das Haupttor, das auch durch einen Dreiecksgiebel hervorgehoben ist. Es scheint offen zu stehen, und ausgerechnet in diesem Tor fehlt der Engel. Die Mauern zwischen den Toren formen ein eigenartiges Gebilde zwischen Kreis und Rechteck. Im Stadtzentrum befindet sich eine palastartige Kirche. Zahlreiche grüne Bäume zeigen an, dass die Paradiesvorstellung des Alten Testaments hier nicht gänzlich verloren ist.
Die 125 x 81 cm große Arbeit entstand 1764 in Soligalich, einer Kleinstadt in der Oblast Kostroma. Sie ist noch in anderer Hinsicht außergewöhnlich, denn wir kennen ihre Maler: es waren die ansonsten nicht weiter bekannten Brüder Savva Slovenin und Michey Slovenin, die dieses Werk vermutlich für fromme Adelige anfertigten. Heute befindet sich die Malerei im Kloster Ipatios (Kostroma), als Leihgabe des Staatlichen Geschichts-, Kunst- und Architekturmuseums von Kostroma. Dort wurde sie 1991 von G. B. Gubochkinym restauriert.
Natal’ja I. Komaško: Kostromskaja ikona XIII-XIX vekov, Moskva 2004.
Claus Bernet: Ikonen des Weltgerichts, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 37).