Leopold Schmid (1901-1989): „Königin des Friedens“ in Wien (1935)

„Königin des Friedens“ ist der Name einer römisch-katholischen Kirche im Wiener Gemeindebezirk Favoriten, welche am 16. November 1935 eingeweiht wurde. Besonderer Wert wurde damals auf die neuen Buntglasfenster gelegt, die der Architekt des Baus, Robert Kramreiter, gemäß der damaligen neuen Kunsttheorie als Teil der Konstruktion verstanden hat. In den Rundbogenfenstern an der Ostseite entlang des Mittelschiffs wurden Darstellungen der Lauretanischen Litanei im spätexpressionistischen Stil eingefügt. Es sind neun Fenster mit Motiven wie der Morgenstern, das Goldene Haus oder der Turm Davids. Das fünfte Fenster, welches unten mit „du Pforte des Himmels“ tituliert ist, zeigt eben diese Himmelspforte. Die Darstellung ist originell und neu: Hier hält ein Engel die Pforte und präsentiert sie dem Betrachter. Mit seinen beiden Händen hält er die zwei Flügel der Pforte geöffnet, so dass man den Inhalt betrachten kann: Eine eingezeichnete thronende Madonna, die wiederum das Jesuskind hält. Üblicherweise sind hier Petrus oder die Geretteten dargestellt, eine Madonnenstatue und vor allem der kindliche Jesus sind für das Himmlische Jerusalem ungewöhnliche Bildmotive, da hier eigentlich die Heilsgeschichte ihr Ende gefunden hat. Wie bereits der Engel das gesamte Fenster füllt, so deckt auch die Madonnenfigur den Eingangsbereich derart ab, dass kein Platz für weitere Darstellungen oder zusätzlichen Schmuck bleibt.

Bei der Arbeit handelt es sich um ein Jugendwerk von Leopold Schmid (1901-1989), einem österreichischer Maler, Bildhauer, Graphiker und Keramiker. Er verwendete hier überwiegend matte Mischfarben, wie hellbräunliche, violette, grünstichige und rötliche Tönungen, die dem Werk einen schwebenden Charakter verleihen. Die ausdrucksvolle Physiognomie des Engels zeigt bereits das Talent Schmids, der noch eine lange Karriere mit vielen öffentlichen Auszeichnungen vor sich hatte. Nur drei Jahre nach diesem Werk verhängten die Nationalsozialisten jedoch zunächst ein Arbeitsverbot gegen den sozialistisch eingestellten Künstler.

Thilo Bachleitner: Königin des Friedens, Wien Favoriten, Wien 1985.

 

tags: Wien, Österreich, Expressionismus, Engel
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