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Reinhold Schröder: Abgeschaffter und inzwischen rückgeholter Tabernakel aus St. Johannes in Dorsten (1982)

Der Tabernakel von St. Johannes in Dorsten am Übergang vom südlichen Münsterland zum nördlichen Ruhrgebiet fügte sich mit seiner hölzernen Stele und dem Aufsatz aus Bronze harmonisch in die Struktur des modernisierten Altarraumes ein. Er ist 1982, als unter dem Pfarrer Günter Kiefer der Kircheninnenraum komplett umgestaltet wurde, von dem Künstler Reinhold Schröder (geb. 1932) aus Lünen nach dem Motiv des Himmlischen Jerusalem als dem Sinnbild der Vollendung in Gott gearbeitet worden. An den vier Seiten ist in der Mitte jeweils ein größeres Tor zu sehen. An den Ecken kragt die Bronze nach außen, wo nochmals zwei kleinere Tore eingearbeitet wurden. Die vier Haupttore und acht Ecktore ergeben zusammen zwölf Stadttore. Oberhalb der Stadtmauer sind noch Zinnen zu erkennen, hinter denen sich der eigentliche vergoldete Tabernakel im Inneren des Kunstwerkes befindet. An dem Haupttor der Schauseite zur Gemeinde hin kann er geöffnet werden, wobei sich die Flügel der Pforte wie bei einer echten Tür öffnen.
Schon nach einer Generation kam es zu gewaltigen Umbrüchen im Bistum Münster, was sich auch auf die lokale Kirchengemeinde auswirkte. 2009 kam es zur Fusion der Pfarrgemeinde St. Johannes mit den Gemeinden St. Agatha, St. Nikolaus und Heilig Kreuz zur neuen Pfarrei St. Agatha. Die Folge: die Kirche wurde geschlossen und der Raum diente einem konfessionellen Familienzentrum. Schließlich kam es am 5. Juni 2016 zur Profanierung der St.-Johannes-Kirche, der Tabernakel hatte nun keine Funktion mehr und wurde beiseite geräumt und schließlich sogar in ein Depot des Bistums gegeben. In der Gemeinde war dieses Kunstwerk jedoch beliebt und wurde nicht vergessen. Auch wurde immer wieder der Wunsch nach einer Kirche formuliert, dem erstaunlicherweise sogar nachgegeben wurde: Es kam zu erneuten Umbauarbeiten unter dem Architektenbüro Kuckert aus Münster. Schließlich wurde der Raum am 30. Juni 2019 ein zweites Mal geweiht. Inzwischen sah er aber ganz anders aus, als ihn die Gemeinde in Erinnerung hatte: unterschiedliche Werke verschiedener Künstler waren nicht mehr gefragt, alles sollte einheitlich uniformiert aussehen. Während die Kirche gerne Vielfalt predigt, hat man mit gelebter Vielfalt Schwierigkeiten. Unzufrieden war man vor allem mit dem neuen Tabernakel. Das teure Kunstwerk ist letztlich eine einfache Holzkiste im IKEA-Design, ohne irgendwelchen Schmuck. Bei meinem Besuch hat man sich beklagt, dass die höhere Kirchenleitung christliche Symbole nicht mehr sehen möchte, aus falsch verstandener Toleranz. So zeigte auch der neue Tabernakel: nichts! Wie oben erwähnt hatte die Gemeinde das alte Kunstwerk noch in Erinnerung und hatte auch die Eigentumsrechte an dem Werk noch nicht verloren. Nach massivem Protest wurde dieser aus dem Depot zurückgeholt. Leider hat man jedoch die ursprüngliche Stele vernichtet und ihn auf einen Block im gleichen Design wie die übrigen Liturgica, aber auch Möbel und anderes, gesetzt, damit er ja nicht zu sehr auffällt. So konnte durch den Einsatz von mutigen Gemeindemitgliedern ein Kunstwerk, aber auch ein Stück Heimat und Tradition gerettet werden.

Der neue, inzwischen alte Tabernakel wurde in eine Rumpelkammer verbannt. Ich selbst habe ihn noch im Mai 2023 begutachten können. Was nun mit diesem Kunstwerk geschieht, der ja auch seine Freunde hat und der Gemeinde viel Geld gekostet hat (da nach Kirchenrecht die Gemeinde für die Ausstattung, das Bistum für das Gebäude zuständig ist), bleibt ungewiss.

 

Zum Künstler:

Reinhold Schröder wurde am 28. März 1932 in Lünen geboren. Im Betrieb seines Vaters erlernte er den Beruf des Steinmetz, bis er an die Dortmunder Werkkunstschule ging. 1954 legte er die Meisterprüfung als Steinmetz und Bildhauer ab. Von 1955 bis 1958 studierte er an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Düsseldorf und wurde anschließend zum Meisterschüler ernannt. Seitdem entstanden vor allem Plastiken für Kirchen und für den öffentlichen Raum. Bekanntere Werke sind der Innenraum des St. Marienhospitals in Lünen, die Platzgestaltung am ehemaligen Jüdischen Friedhof an der Münsterstraße (Lünen), die Türen zum Ratssitzungssaal der Stadt Lünen, die Bronzeskulptur „Herausforderung“ im Innenhof des Berliner Canisius-Kollegs und die Skulptur „Damian und Cosmas“ an der Fassade des Hauses Münsterstraße 25 in Dülmen (2012). Mit seinen Werken hat Schröder zahlreiche Wettbewerbe gewonnen und Preise erhalten, herausgehoben sei der Kulturpreis der Stadt Lünen im Jahr 2008.

 

tags: Tabernakel, Münsterland, NRW, Bronze
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