Elke Hirschler: Die Entscheidung des Menschen (1998)

Zu den Schätzen der niedersächsischen Klöster Wienhausen und Lüne gehören die in der Technik des Klosterstichs gestickten mittelalterlichen Bildteppiche. Auf lockerem Leinengewebe wird ein etwa fünf Zentimeter langer Teil eines Wollfadens mit kleinen Überfangstichen desselben Fadens befestigt. Faden neben Faden gelegt, wird allmählich die gesamte Musterfläche ausgefüllt. Viele, die zum ersten Mal im Klosterstich ausgeführte Teppiche sehen, halten sie für gewebt. Diese Technik der Flächengestaltung ist im Kloster Mariensee durch die damalige Äbtissin, Frau Barbara Bosse-Klahn, seit 1979 in zahlreichen Kursen wieder belebt worden. Viele Interessierte haben sich die Technik angeeignet, unter anderen auch Elke Hirschler (geb. 1942 in Hildesheim). Seit 2006 setzt sie im Kloster Wienhausen diese Tradition fort, als Lehrerin für Textiltechnik.
An dem Teppich „Die Entscheidung des Menschen“ arbeitete Hirschler von 1995 bis 1998. In der Mitte der 180 x 90 cm großen Näharbeit steht der Mensch. Er kann sich entscheiden zum Bösen (Höllenschlund rechts) oder zum Guten (Himmlisches Jerusalem links, siehe Ausschnitt). Die Stadt wird einerseits durch einige Bauten im oberen Bereich dargestellt, andererseits auch durch ein gewaltiges Himmelstor in blauer Farbe. Nicht alles ist zu erkennen, da eine schwungvolle Engelsfigur vor diesem Tor steht. Alles wird durchdrungen vom Licht der Wahrheit, des Geistes, des Göttlichen, welches von rechts oben einstrahlt.
Das Werk fand seinen Aufstellungsort als Antependium im Chor der barocken Kirche in Hodenhagen, Landkreis Soltau. Diese Kirche in Hodenhagen wurde um 1480 im Chorraum und hinter dem Altar mit Fresken ausgemalt. Sehr schwach kann man noch (mit Vorwissen) das Himmlische Jerusalem links mit Petrus und einigen Geretteten davor erkennen. Diese spätmittelalterliche Ausmalung hat die Künstlerin des Antependiums laut ihrer eigenen Aussage in ihrem Entwurf aufgegriffen und in eine moderne Bildsprache übersetzt.

 

Inspirationsquelle aus dem Mittelalter: die Reste des Himmlischen Jerusalem aus der Kirche St. Thomas und Maria von Hodenhagen.

 

tags: Wandteppich, Niedersachsen, Himmelspforte, Engel
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