Thomas Schnorrenberg: Altarkreuz der Herz-Jesu-Gemeinde in Rünthe (1993)
Metallarbeiten mit dem Neuen Jerusalem sind eher selten. Eine besonders eindrucksvolle Arbeit schuf der Paderborner Goldschmied Thomas Schnorrenberg speziell für die Herz-Jesu-Gemeinde in Rünthe im nordöstlichen Ruhrgebiet. Das lateinische Schmuckkreuz entstand 1993 in enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Pastor der Gemeinde, Liudger Gottschlich (geb. 1961) und wurde durch eine Spende eines Gemeindemitglieds aus Mettingen möglich.
Da es in dem römisch-katholischen Gotteshaus bislang kaum Hinweise auf den Titel der Kirche gab, entstand der Gedanke, das Kreuz mit der Herz-Jesu-Verehrung zu verbinden. In der Mitte des Kreuzes, wo die Balken sich kreuzen, ist daher eine lodernde, goldene Flamme als Symbol der Liebe zu entdecken. Sie ist von einer Rosette umgeben, die in der Form an das Nordfenster der Herz-Jesu-Kirche angelehnt und dieser nachgebildet ist.
Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die Rosette von Schnorrenberg aus vier Herzen besteht. Von hier aus erstrecken sich die vier Arme des Kreuzes. Das besondere an diesem Kreuz ist nun, dass es an der Vorder- und Rückseite vollplastisch ausgearbeitet ist und zahlreiche theologische, aber auch ortsgeschichtliche Details miteinander vereint. Unten befindet sich an der Vorderseite das Portal, das dem alten Eingang der Herz-Jesu-Kirche ähnelt. Darin steht ein Taufbecken und eine angedeutete Treppe führt zu einer Tür – beides symbolisiert den Eintritt in das Leben der Kirchengemeinde. Über dem Portal spiegelt sich das Leben in Rünthe wider: Zechenhäuser der Bergarbeiterstadt, eine Fabrik, ein Sportstadion, sogar ein Förderturm – und mittendrin ein großes Kreuz als Hinweis, dass auf Erden jeder sein eigenes Kreuz zu tragen habe.
Der Querbalken zeigt ebenfalls Häuser, doch sie sind verspielter, einladender. Hier ist die ideale Welt dargestellt, wie sie wäre, wenn alle Menschen nach den biblischen Geboten und der Liebe Christi leben würden.
Der obere Längsbalken steht nun für das Neue Jerusalem. Die Bauten sind nochmals detailreicher gestaltet als die Häuser des irdischen Bereichs und jetzt sogar mit Halbedelsteinen verziert. Im Mittelpunkt steht oben der Tempel Gottes, der wie die Herz-Jesu-Kirche in ihrer früheren Gestalt wiedergegeben ist, deren Kirchturm noch bis 1958 stand. Das silberne Kreuz läuft mit der Zeit an und wird daher regelmäßig zur professionellen Säuberung geschickt. Doch neben Silber ist auch Gold zu finden: Die Taufschale ganz unten und die Kirchturmspitze oben sind vergoldet. Das Gold soll die Gegenwart des Himmlischen zeigen und dass man von der Taufe bis in den Tod in Jesu Liebe geborgen sei.
Das kostbare Kreuz ist der künstlerische und optische Höhepunkt der Kirche. Es ist fast das gesamte Jahr an einer Stange befestigt an der rechten Seite des Chorbereichs sichtbar. Allein in der Fastenzeit ist es mit einem lilafarbenem Tuch verhüllt, bis es am Osterfest feierlich hervorgeholt wird.
Claus Bernet: Liturgica und Kirchenschmuck, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 12).