Alfred Erhart (1928-1984): Tabernakel aus der Kapelle St. Pius X. auf dem Kandelberg (1958)
Die Kapelle auf dem Berggipfel des Kandel im Schwarzwald birgt auf 1241 Meter das vielleicht höchstgelegene Jerusalemskunstwerk ganz Deutschlands. Die schlichte Kapelle „St. Pius X.“, zu der noch eine kleine Eremitenklause gehört, wurde Ende der 1950er Jahre auf dem Berg errichtet – heute wäre es nicht mehr möglich, in dem Naturschutzgebiet eine Glaubensgemeinschaft zu bevorzugen, ohne nicht auch für eine kleine Synagoge, Moschee und anderes Sorge zu tragen. Damals waren die Zeiten anders, zu der Einweihung am 28. September 1958 pilgerten Tausende auf den Berg, sogar der Erzbischof Schäufele war angereist.
Der Tabernakel für die Kapelle ist eine Arbeit des Gold- und Silberschmieds Alfred Erhart (1928-1984). Dargestellt sind links unten der Seher Johannes mit einem Buch, auf dem etwas eingeschrieben steht. Es handelt sich nicht um eine Signatur, sondern „Offb. XXI 2“ verweist auf das Thema des Dargestellten. Rechts oben erscheint das Himmlische Jerusalem, bei dem sich die Bauten und Tore halbkreisförmig um den Kreisnimbus mit dem Opferlamm Gottes ziehen.
Zwischen der Stadt oben rechts und dem Seher unten links steht über die Tabernakeloberfläche hinweg in Latein geschrieben: „Ecce tabernaculum dei, cum hominibus“ (Johannesoffenbarung Kap. 21, Vers 3). Der Schmuck aus zwölf aufgesetzten Edelsteinen (von denen 2024 noch nicht einer gestohlen war!) steht in der Tradition der Waldkircher Edelsteinschleiferei. Der Tabernakel stand ursprünglich auf dem Altar, wurde aber 2011 gemäß der liturgischen Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils an der linken Seitenwand des Chorraums der Kandelkapelle neu aufgestellt.
Hermann Brommer: Alfred Erhart (1928–1984). Zum Tod des Freiburger Bildhauers, in: Schau-ins-Land, 103, 1984, S. 209-217.
Claus Bernet: Der Tabernakel und das Neue Jerusalem, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 34).
Zum Künstler:
Alfred Erhart wurde am 12. März 1928 in Freiburg im Breisgau geboren. Er studierte nach dem Abitur (1947) an der an der Staatlichen Höheren Fachschule für Edelmetallgewerbe in Schwäbisch Gmünd. Nach seinem Abschluss 1952 machte er sich mit einer eigenen Werkstatt in Freiburg/Breisgau selbstständig. Neben seiner praktischen Tätigkeit wirkte er auch als Theoretiker und publizierte kunstpädagogische Arbeiten (1973 zu Holzobjekten im Alltag und 1980 zu handgearbeiteten Figuren aus Rundholz, die beide im Christophorus-Verlag erschienen).
Im Jahr 1958 heiratete er die Lehrerin Maria Stella Karle, mit der er fünf Kinder hatte. Ab 1972 begann er auch, am Kunstkolleg St. Sebastian in Stegen im Schwarzwald als Werklehrer für Bildende Kunst zu unterrichten. In seinem eigenes Schaffen konzentrierte er sich auf religiöse Kunstgegenstände, überwiegend in Metall, die sich alle durch handwerkliche Präzision auszeichnen. 1983 war sein letztes Werk der Hirtenstab für Karl Lehmann, dem damaligen Bischof von Mainz. Kurz darauf, am 18. Januar 1984, verstarb Alfred Erhart in Stegen-Eschbach.
Bekannteste Arbeiten von Erhart im Bereich der Sakralkunst sind:
-Schwarzer Altarblock und Tabernakel von St. Wendelin in Brandenberg (Österreich)
-Tabernakel und Ambo von St. Urban in Freiburg-Herdern
-Hauptportal von St. Stephan in Karlsruhe.
-Hirtenstab für den Freiburger Erzbischof Oskar Saier
-Altarkreuz der Bischofsgruft im Freiburger Münster.