Josef Franke (1921-2006): Schmuckplastik aus St. Ansgar in Minden (1974) und St. Katharina in Auetal-Rehren (1996)

Für die römisch-katholische Mindner Kirche St. Ansgar, erbaut in den 1960er Jahren, war von Beginn an ein Kreuzweg vorgesehen, der 1974 vollendet wurde. Visueller, aber auch inhaltlicher Höhepunkt wurde eine auch für die damalige Zeit ungewöhnliche Schmuckplastik, die im Zentrum der ansonsten weiß belassenen Altarwand aufgehangen wurde. Gewissermaßen ist es als 16. Station der Abschluss des Kreuzwegs. In der Mitte befindet sich das weiße Christuslamm. Es lässt sich herausnehmen und wurde in den Anfangsjahren der Kirche regelmäßig von Pfingsten bis zum Vorabend von Allerheiligen durch eine Taube ersetzt, dem Symbol des Heiligen Geistes. Die Mitte ist umgeben von einem Kranz aus vergoldeten, spitzen Dornen, die auch an Lichtstrahlen erinnern.

Die meisten dieser Objekte sind geschlossen, einige aber auch geöffnet, so dass das Gitternetz, auf dem sie montiert sind, sehen kann. Um diesen Kreis sind die zwölf offenen Tore gelegt. Sie sind aus Obernkirchener Sandsteinfragmenten zusammengesetzt. In ihrer schlichten Art und rauen Oberflächenbehandlung haben sie etwas Archaisches. Sie lassen weniger an eine Königsstadt als vielmehr an eine Festung oder an einen Grabeingang denken. Gleichzeitig geht von dem Kunstwerk eine große Suggestivkraft aus, die kaum einem Kirchenbesucher entgeht. Das liegt auch daran, dass die Tore offen gehalten sind, etwas von der dahinter liegenden Wand zeigen und wie zu schweben scheinen, sich auch gegenseitig kaum berühren. Verbunden sind sie durch drei schmale Metallbögen, die um den Kreis ein Dreieck, dem Symbol der Trinität, erkennen lassen.

Das Kunstwerk stammt von dem Bildhauer Josef Franke (genannt Jupp, 1921-2006) aus der Bergstadt Obernkirchen. Bereits im Alter von 15 Jahren besuchte er eine Fachschule für Bildhauer in Bad Warmbrunn. 1941 zog er in den Krieg, und da Franke ausgebildeter Segelflieger war, kam er als Bordfunker in ein Transportgeschwader in den Kaukasus. In Österreich geriet er in Gefangenschaft und wurde von dort an die Russen ausgeliefert, die ihn in ein Lager in den Kaukasus zurückbrachten. Seine beruflichen Talente trugen dazu bei, dass er in der Gefangenschaft gut behandelt und schon 1946 wieder entlassen wurde. Nach der Eheschließung 1962 wagte der Bildhauer den Weg in die Selbständigkeit. Er nahm viele Auftragsarbeiten an, vor allem von damals neu erbauten römisch-katholischen Kirchengemeinden. Seine Figuren, Wandgestaltungen und Krippen sind in ganz Norddeutschland zu finden. Josef Franke war ein gläubiger Katholik und drückte das auch in seinen Arbeiten aus. Der Obernkirchener Kolpingfamilie gehörte er mehr als fünfzig Jahre an und wirkte einige Zeit auch in ihrem Vorstand mit.

Klaus-Dieter Scheithauer: Werden – Sein – Vergehen – Hoffnung. Augenblicke meines Lebens, Obernkirchen 2006.
Claus Bernet: Liturgica und Kirchenschmuck, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 12).

 

Es gibt von dem Kunstwerk eine Art zweite Fassung mit minimalen Differenzen. Für die römisch-katholische Kirche St. Katharina in Auetal-Rehren bei Schaumburg in Niedersachsen wurde im Zuge einer Verschönerung Mitte der 1990er Jahre eine neue Altargestaltung entworfen. Franke griff erneut auf seine Interpretation des Himmlischen Jerusalem zurück. Der Kreis mit den Strahlen ist identisch mit der Fassung aus Minden und wird vermutlich ebenfalls in den 1970er Jahren hergestellt worden sein. Anders ist der Zuschnitt und die Anordnung der Tore, die hier, da auf der Wand wesentlich weniger Platz zur Verfügung stand, enger an den Kreis rückten. Weggelassen wurden ebenfalls die drei Bögen zwischen den Toren. Zwischen diesen, im unteren Bereich, kann man übrigens einen singulären Stein entdecken, auf dem dem sich das Künstlersignet von Franke finden lässt.

Auch das Lamm ist etwas anders gestaltet. Auf den Nimbus wie auf die sieben Hörner – ein schwieriges Symbol aus der Apokalypse, das Gläubige immer wieder irritiert – hat Franke in Auetal-Rehren verzichtet, dafür jetzt eine Siegesfahne hinzugesetzt. Anstatt einer weißen Färbung wurde dieses Lamm, nachweislich auf Wunsch der Gemeinde, komplett vergoldet.

Klaus-Dieter Scheithauer: Werden – Sein – Vergehen – Hoffnung. Augenblicke meines Lebens, Obernkirchen 2006.
Claus Bernet: Liturgica und Kirchenschmuck, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 12).

 

tags: Schmuck, Plastik, Sandstein, Tore, Niedersachsen, Minden, NRW
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