Paul Weigmann (1923-2009): Fenster aus St. Hermann Joseph in Köln-Dünnwald (1958/1987)

Eine Besonderheit hinsichtlich des Themas Neues Jerusalem bietet die römisch-katholische Kirche St. Hermann Joseph in Köln-Dünnwald. 1958 fertigte dort der junge Glaskünstler Paul Weigmann (1923-2009), der in seiner Karriere das Neue Jerusalem noch oft darstellen sollte, hier das Motiv erstmals in Glas an. Er gestaltete dazu sechs quadratische Fenster aus weißlich-grauem Antikglas, Blei und Schwarzlot, von denen drei an der Nordseite und drei an der Südseite zu finden sind. Diese zeigen oben jeweils einen farbigen Edelstein der Stadt, darunter ein massives Tor, in dessen dunkle Öffnung einzelne Farbpunkte gesetzt sind, die laut Weigmann etwas von der zukünftigen Herrlichkeit der Stadt erahnen lassen sollen. Jedes Tor zeigt nun mittig einen jüdischen Namen, der von einem wehenden Gewand oder Schriftband umgeben ist, während unten auf dem Fundament ein Apostelname gesetzt wurde. Es beginnt rechts vom Altar mit der Kombination Simeon/Andreas, Ruben/Petrus, Levi/Jakobus, Juda/Johannes, Issachar/Thomas und schließlich links vom Altar Zabulon/Philippus. Obwohl also zumindest bei der Zahl der Namen die Zwölf zusammenkommt, entsteht doch die Frage, warum hier nur sechs der jüdischen Stämme bzw. nur sechs der Apostel angeführt sind. Wo also ist die restliche Hälfte der Stämme bzw. der Apostel geblieben? Und: Warum wurden gerade diese Stämme und Apostel in der angeführten Kombination ausgewählt, nicht aber beispielsweise der Apostel Thaddäus oder der Stamm Dan?

Leider habe ich es versäumt, in meiner Korrespondenz Weigmann dazu zu befragen. Zu der Frage, warum hier nur die Hälfte des Himmlischen Jerusalem dargestellt ist, habe ich von verschiedener Seite, auch aus der Kirchengemeinde, unterschiedliche Antworten und Vorschläge erhalten:
-Die Kirche war ursprünglich doppelt so groß geplant gewesen. Nach einer Verkleinerung des Bauplans war für die gesamte Zahl der Fenster nicht mehr der notwendige Platz?
-Es gibt in der Theologie und auch in der Kunst die Vorstellung, dass das eigentliche neue Jerusalem weder beschrieben noch dargestellt werden kann. Man präsentiert lediglich einen Teil, pars pro toto, und lässt bewusst den anderen Teil frei, um damit anzuzeigen, dass es sich bei dem Thema um eine jenseitige Angelegenheit handelt?
-1958 hatte man noch nicht das notwendige Geld, neben dem Neubau auch noch zwölf Fenster zu finanzieren, so dass man sich zunächst lediglich die Hälfte leisten konnte. Als zwanzig Jahre der gleiche Künstler mit der restlichen Verglasung beauftragt wurde, empfand man die überwiegend weißlich-grauen Fenster als zu farblos und bestellte von Weigmann andere Buntglasfenster?
-Grund der Halbierung sei eine feine theologische Aussage: sechs Stämme repräsentieren das Alte Testament, sechs Apostel das Neue Testament. Nur in ihrer Zusammenfassung entsteht ein vollständiges Bild?
-Künstler sind auch (nur) Menschen: Paul Weigmann ist schlicht ein Fehler unterlaufen, den man später nicht mehr korrigiert hat?
-Ursprünglich waren für die zwölf Fensternischen auch zwölf Tordarstellungen bestellt und angefertigt worden. Von denen wurde aber die Hälfte gestohlen oder beschädigt?
Letztlich ist es nicht mehr möglich, diese Frage zu beantworten. Vielleicht ist es auch ein ganz anderer als hier angeführter Grund gewesen, oder eine Kombination aus mehreren Gründen. Wie angedeutet, kam es von 1979 bis 1987 zu einer erneuten Beauftragung Weigmanns. Dieser war nun einer unter den ersten Sakralkünstlern Deutschlands, es wäre interessant, einmal den Preis für die ersten Fenstern mit denen der jetzigen zu vergleichen. Diesmal ging es um die restliche Verglasung der sechs von insgesamt zwölf Fensternischen. Was sich in diesen Nischen, die jetzt neu verglast werden sollte, von 1958 bis 1979/1987 befand, ist nicht bekannt. Weigmann entwarf diesmal farbintensive Darstellungen, und wieder spielt das Thema der Hälfte eine Rolle: drei Fenster sind dem Alten Testament gewidmet, drei Fenster dem Neuen Testament. Um das Thema noch weiter zu verkomplizieren, hat Weigmann ganz zuletzt, auf dem letzten 1987 eingebauten Fenster erneut das Himmlische Jerusalem dargestellt, wieder in quadratischer Form. Auf diesem Farbfenster, „Johannesvision“ genannt, ist die Stadt mit jeweils drei schwarz-grauen Toren an den vier Himmelsrichtungen dargestellt, zu Dreiergruppen zusammengefasst. Hauptthema der Darstellung sind aber jetzt nicht mehr die Tore, sondern das Lamm in der Mitte mehrerer konzentrischer Kreise. In diese Kreise hat Weigmann verschiedene Gegenstände figürlich eingezeichnet, etwa Kronen, zahlreiche Perlen und farbige Gebilde, die für den Lebensbaum und das Wasser des Lebens stehen. Es war das vorletzte Mal, dass der Künstler das Neue Jerusalem auf Glas dargestellt hat, so dass man in St. Hermann Joseph die seltene Möglichkeit hat, das gleiche Motiv aus der Frühphase mit einem Werk aus der Spätphase des gleichen Künstlers vergleichen zu können.

August Brandt u.a.: Die Hermann-Joseph-Kirche, Köln-Dünnwald, Erolzheim 1959.
Paul Weigmann: Glasmalerei aus dem rheinischen Raum, Leverkusen 1983.
Claus Bernet: Spezialband: Himmelspforten vom Mittelalter bis heute (Kirchenfenster und Glasarbeiten, Teil 4), Norderstedt 2018 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 46).

 

tags: Paul Weigmann, Köln, Nachkriegszeit, Tore, Rheinland,
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