Bei dieser hochwertigen Textilarbeit handelt es sich um einen Kasel (Messgewand) aus der römisch-katholischen Gemeinde St. Hildegard in Berlin-Frohnau. Sie ist dort an kirchlichen Hochtagen, wie am Weihnachts- oder am Osterfest, in Gebrauch. Einst war das Textil ein Geschenk der Gemeinde St. Hildegard an ihren damaligen Pfarrer Dieter Höfig (1938-2009) anlässlich seines silbernen Priesterjubiläums im Jahr 1989. Bei diesem Anlass war es erstmals in Gebrauch, was auf Fotos der Gemeinde belegt ist. Leider befindet sich in der Kasel oder an der Stola keinerlei Aufnäher, Sticker o.ä., aus dem sich auf den Hersteller bzw. auf den Händler schließen ließe, und auch archivalische Nachforschungen führten zu keinerlei Erkenntnissen.
Gezeigt wird ein Ausschnitt der Vorderseite der Kasel mit dem Himmlischen Jerusalem in einer feinen Stickerei. Das in Farbe und Form identische Motiv zeigt übrigens auch die Rückseite. Das liturgische Kleidungsstück wurde vermutlich in einer Paramentwerkstatt aus Westdeutschland im Bistum Paderborn für die Gemeinde Maria Gnaden in Berlin-Hermsdorf (die heute zu St. Franziskus gehört) angefertigt. Der Künstler oder die Künstlerin sind namentlich nicht bekannt, genauso wenig wie das Entstehungsjahr, welches anhand von Stilvergleichen aber auf etwa 1975 einzuschätzen ist. Damit wäre es heute der älteste Kasel mit dem Jerusalem-Thema. Unten steht „Jerusalem“, und aus dem Bildzusammenhang ist zu erkennen, dass es sich dabei um das Himmlische Jerusalem handelt. Drei offene Tore mit grünlichem Mauerwerk befinden sich an jeder der vier Seiten. Die Mauern dazwischen sind verschieden grün gefärbt, einzelne Steine sind gut zu sehen. Die Anlage ergibt ein Quadrat, in deren Mitte sich, stellvertretend für das Lamm, ein lateinisches Kreuz befindet. Überschrieben ist das Ganze mit „Beata Urbs“ (auf Deutsch: „Glückliche Stadt“), eine lateinische Ehrenbezeichnung für Jerusalem. Zwischen den Beschriftungen gehen von der Stadt Strahlen aus, die um die quadratische Stadt einen Kreis werden lassen, an welchen sich sogar die Größe der Schrift anpasst.
Norbert Pomplun (Bearb.): 1940-2015. 75 Jahre Kirchweihe St. Hildegard Berlin-Frohnau, Berlin 2015.