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Hans Gottfried von Stockhausen (1920-2010): Unterneustädtische Kirche Kassel (1953)

Das große zentrale Glasfenster in der evangelischen Unterneustädtischen Kirche zu Kassel heißt: „Das Lamm im Himmlischen Jerusalem und die klugen und die törichten Jungfrauen“. Die Idee dazu ging von Rudolf Yelin aus. Dem Titel entsprechend werden auch diese beiden Themen gezeigt. Links und rechts sind jeweils fünf Frauenpersonen zu finden, die törichten bzw. die klugen Jungfrauen.

In der Mittel stolziert in einer Gloriole das weiße Gotteslamm mit der Siegesfahne. Ihm zu Füßen findet sich das Buch mit den sieben Siegeln. An den zwei Seiten sind rundbogige Tore und auch rotfarbene Edelsteine der göttlichen Stadt eingefügt. Das insgesamt fünfzehnteilige Fensterband, welches sich hoch oben konkav an der Apsis der Kirche entlangzieht, wurde 1953 von Hans Gottfried von Stockhausen (1920-2010) angefertigt. Es war übrigens die allererste Beschäftigung des Künstlers mit diesem Thema, welches er bis 1967 noch öfters aufgreifen sollte. Wie eine kurze Signatur und Datierung auf einer türkisfarbenen Glasscheibe rechts unten verrät, wurde das Fenster von der Stuttgarter Firma V. Saile hergestellt und, wie aus Unterlagen der Gemeinde hervorgeht, auch eingebaut.

Heimatverein Buoch e.V. (Hrsg.): Hans Gottfried von Stockhausen, Buoch 2011.

 

Zum Künstler:

Hans Gottfried von Stockhausen stammte aus einem weitverzweigten deutschen Adelsgeschlecht. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er bei Stalingrad, konnte anscheinend der Einkesselung entkommen und geriet später in britische Gefangenschaft. Nach Inhaftierung und Entnazifizierung in einem Kriegsgefangenenlager in Ägypten studierte er von 1947 bis 1952 bei dem bekannten Glaskünstler Rudolf Yelin (1902-1991) an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart Mosaikkunst sowie Glasmalerei und Zeichnen.
Als figürlich ausgerichteter Künstler widmete sich von Stockhausen zunächst der architekturgebundenen Glasmalerei und wurde mit Aufträgen vor allem aus dem Bereich der evangelischen Kirche betraut, und zwar nicht von einer, sondern von mehreren Landeskirchen. 1968 wurde er Leiter einer Klasse für allgemeine künstlerische Ausbildung an der Stuttgarter Akademie. 1971 berief ihn das Kultusministerium Baden-Württemberg auf Vorschlag des Akademiesenats an den Lehrstuhl für Glasmalerei und Mosaik, den bislang sein ehemaliger Lehrer Yelin inne hielt. Mehrere Jahre wirkte er auch als Prorektor der Hochschule. Stockhausen hat nie die figürliche Darstellung bzw. die Gegenständlichkeit verlassen. Seine Zeichnungen, Radierungen, Holzschnitte und Pastelle belegen dies bis in das Alterswerk hinein. Inhaltlich nehmen seine Bilder häufig Geschichten des AT sowie NT und Motive aus der antiken Mythologie auf. Seine Bilder möchten für ihn wichtige Inhalte in eine allgemein verständliche Sprache für Kirchen- und Gottesdienstbesucher umsetzen.
Der künstlerische Beitrag, den Hans Gottfried von Stockhausen als Künstler und Lehrer zur zeitgenössischen sakralen Glasmalerei leistete, wurde seit den späten 1970er Jahren über Deutschland hinaus mit Aufmerksamkeit registriert. Ab 1964 entwickelte er das sog. „freie Glasbild“ und stellte dies in den Mittelpunkt seines Hochschulunterrichts und künstlerischen Wirkens, über das er erstmals im Sommer 1974 mit einer Einzelausstellung an der Akademie Rechenschaft ablegte. An der erfolgreichen Ausstellung beteiligten sich auch zehn Studierende. Weitere Ausstellungen für eine breite Öffentlichkeit fanden in seinem Atelier auf Schloss Waldenburg statt.
Das farbige Glas wurde zum Thema, nicht allein als gegebenes Material, sondern in der Verwandlung zu einer meditativen Hintergründigkeit, etwa durch Lichteinfall und Schattenbilder. Hans Gottfried von Stockhausen hat nach 1945 nicht nur alte, fast verloren geglaubte handwerkliche Techniken zur Bearbeitung von Flachgläsern wiederbelebt, sondern auch neue, bisher unübliche Techniken bei Glasbildern eigenständig entwickelt. Mit der Einrichtung eines Studioglasofens gegen Ende seiner Tätigkeit an der Stuttgarter Akademie ging ein langgehegter Wunsch für den Künstler in Erfüllung. Unter seinem Einfluss ist der Begriff „Stuttgarter Glas“ zu einem international anerkannten Qualitätsbegriff geworden. Nach seiner Emeritierung 1986 übernahm er Lehraufträge an der Pilchuck Glass School in Pilchuck/Washington (1986 und erneut 1990), und 1987 einen Lehrauftrag in Edinburgh/Schottland.
Hans Gottfried von Stockhausen hatte in erster Ehe mit der Malerin Margarethe Lahusen einen Sohn und eine Tochter, in zweiter Ehe mit der Malerin Ada Isensee (geb. 1944 in Potsdam) zwei weitere Söhne.

 

tags: Hans Gottfried von Stockhausen, Moderne, Kassel
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